Die Stadt im Ohr
Urban Sapiens. Geschichten der Stadt.
Die Stadt im Ohr
Ein Blinder ist unterwegs, Schritt um Schritt.
Tuk-tak, Tuk-tak ertastet er rechts und links
mit dem Stock den Weg
und lässt die entgegen kommenden Leute geschickt hinter sich.
Die brennende Zigarette zwischen seinen rechten Fingern
lässt den Rauch zusammen mit den Tuk-tak-Tuk-tak-Geräuschen
nach rechts und links ausschweifen.
Kommt ihm niemand entgegen,
bläst er den Rauch aus seinem Mund,
vorbei an seinen Wangen.
Neben dem Gehweg
rasen die Autos eilig vorbei.
Die Leute vor dem Zebrastreifen stehen unruhig da,
drehen den Kopf nach links und rechts.
Nur sein Stock wartet in aller Ruhe.
Dann überqueren alle mit schnellen Schritten die Straße
und sein Stock eröffnet den Weg langsam.
Tuk-tak, Tuk-tak.
Ein Auto stoppt.
Er stoppt.
Er geht weiter.
Nach der Überquerung
fährt das Auto wieder brummend los.
Drei Meter vor ihm
die Stimme einer Mutter,
die gerade den Kinderwagen schiebt.
Da bleibt er stehen und wartet.
Vorsichtig gehen die beiden aneinander vorbei.
Die Klänge des Tuk-tak, Tuk-tak
werden vom quengelnden Weinen des Kindes
für eine kleine Weile überdeckt.
"Er dreht seinen Kopf langsam wie eine Antenne ...
Die Straße beruhigt sich wieder.
Er geht weiter.
Tuk-tak, Tuk-tak ..."
Auf dem Baum an der Straße
kämpfen die Amseln um ihren Platz.
Hüpfen blitzschnell zwischen den geparkten Autos hin und her,
weichen geschickt dem Tuk-tak, Tuk-tak des Blindenstockes aus.
Er bleibt stehen ...
Er dreht seinen Kopf langsam wie eine Antenne ...
Die Straße beruhigt sich wieder.
Er geht weiter.
Tuk-tak, Tuk-tak ...
Wo immer er geht, läuft diese Stop-Motion-Szene ab.
Ohne Skript inszeniert.
Ohne Drehbuch gedreht.
Ab und zu bleibt er stehen.
Als ob er mit den Ohren die Szene fotografieren würde.
Klick-Klick-Schnapp.
So nimmt er die Welt in seine Ohren auf.
Gerade ist er um die Ecke gebogen
und verschwindet langsam.
Tuk-tak, Tuk-tak ...
Seine Rückseite entfernt sich.
Von Weitem ist er noch zu hören.