Schlaflos
„Gibt es ein neues Morgen?
Ein wirklich anderes Morgen?
Eines, das nicht so wie das Heute ist?“
Während des Lockdowns
zur Zeit der Coronavirus-Pandemie
fühlen sich die Tage seltsam gleich an.
Als wiederhole sich alles,
immer wieder und wieder.
Ahnungslos … in einer Zeitschleife.
Dieser Zustand schmerzt. Er macht mich müde.
Und … ich möchte einfach nicht mehr … darüber nachdenken.
Gleichgültig, ob ich nun in einer Zeitschleife gefangen bin … oder eben nicht.
Ist das überhaupt von Bedeutung?
Diese Zeitschleife, sie zieht mich tiefer und tiefer …
Empörung steigt in mir auf.
Die Coronavirus-Pandemie ist doch schließlich von uns Menschen verursacht!
Sind es doch wir, die den Tieren immer mehr den Platz streitig machen,
sie nutzen, sie töten, sie … essen …
Ja, ich habe das auch lange nicht erkannt.
Ich war ebenfalls ahnungslos.
Ich habe da genauso mitgemacht.
Das macht mir Angst.
Das macht mich reumütig.
Das lässt mich versinken hinter einer Fassade aus Scham und Rage.
So lange habe ich diese Probleme nicht wahrnehmen wollen.
Mein Verstand ermattet, …
gaukelt mir Dinge vor.
Die Gedanken kommen ins Stocken.
Meine sich immer schwerer anfühlenden Augen fallen mir zu.
In den Ohren höre ich einen kurzen Moment lang eine gepresste Stimme flüstern:
„Erinnerst du, als die Welt noch in Ordnung war? …“
Erschreckt wache ich auf.
Was? … Tatsächlich? … Wirklich?
Früher soll alles in Ordnung gewesen sein?
Ne, ne, ne! Nie und nimmer!!
Auf keinen Fall will ich in die Vergangenheit zurück.
Denn zu gut kann ich mich erinnern.
Klar, es gab früher durchaus guten Willen …
Aber es war halt nicht gut genug! Was uns jetzt widerfährt, das ist doch der Beleg. Unser Wollen war nicht genügend.
Ging es ums Sattwerden, … ging es um den Profit, … dann war früher so ziemlich alles erlaubt.
Zu wenig wurden die Konsequenzen bedacht.
Nie richtig die Zusammenhänge verstanden.
Nie sich für die Welt interessiert.
Schon gar nicht für unsere Mitlebewesen.
Mein Atem dringt tief in die Nacht.
Stille. Die Dunkelheit bedeckt mich, schwer …
Bin ich im Schlaf? Bin ich im Traum?
Ach, diese Nacht.
Sie ist so still …
und sie fühlt sich so beängstigend … friedlich an …
Wie betäubt fühle ich mich … durch diese Stille.
Irgendwas in mir scheint auf der Suche zu sein.
Mein durstiger Verstand dreht sich im Kreis.
Und reibt sich kratzend entlang der Zeitschleifen.
Das geht schon lange so.
Ungezählte Nächte lang.
Ständig drehend.
Hin und her bewegend.
Wie ein vertrockneter Strauch in einer Wüste.
Lässt mich nicht schlafen.
Bis ich nichts mehr fühle.
Nicht mehr weiß, wer ich bin.
In dieser Stille fühle ich meinen Puls.
Höre den Regen … draußen.
Fühle die Menschenleere auf der Straße.
Spüre den Nachhall früherer Tage … voller Leben …
Vergangen!
Mein Verstand sucht irgendeinen Ausgang.
Er möchte diesem Loop entkommen.
Diese schmerzhafte Stille verstärkt meine Gefühle.
Ich wünsche mir einzuschlafen …
Und in einem neuen Morgen aufzuwachen.
In den Schleifen meines Verstandes …
funkelt ein kleiner glitzernder Gedanke auf:
„Die Sonne heute ist nicht die gleiche wie gestern!“
Nie habe ich darüber nachgedacht.
Nie war mir das besonders wichtig.
Vielleicht ist es einfach zu selbstverständlich …
„Ja, die Sonne ist nie gleich!
Sie ändert sich ständig.
Sie glüht, pulsierend.
Immer.
Auch dann,
wenn wir auf der von ihr abgewandten Seite unseres Planeten Erde verweilen. …
Was wir dann Nacht nennen … meinetwegen.
Die Sonne leuchtet immer.
Sie strahlt beständig auf unsere Kugel,
auf der wir sie schon seit Ewigkeiten umkreisen.
Auf der wir getragen werden.
Auf dem Weg um die Sonne.
Ständig kreisend.
Tag und Nacht.
Irgendwie fühle ich mich etwas seltsam.
Aber dieser Gedanke fühlt sich gut an:
Immer von der Erde getragen zu sein …
Es regnet.
Gut so!
Irgendwann wird die Sonne wieder scheinen.
Jedoch nicht ganz gleich.
So spüre ich den Rhythmus unseres Planeten.
Eine reizvolle Idee beschleicht mich …
Ist die Zeitschleife nur in meinem Kopf?
Wiederholt sich hier womöglich gar nichts?
Es regnet immer noch.
Ich sitze in meinem Zimmer.
Und fühle die Menschenleere der Straße …
spüre die Stille.
Nehme die Einsamkeit wahr.
Doch eines Morgens:
Ich höre Menschen.
Die gleichen Menschen wie am Vortag.
Die gleichen Menschen, die heute jedoch anders sind.
Und die Straße.
Die gleiche Straße wie am Vortag.
Die gleiche Straße, die heute jedoch anders ist.
Das fühlt sich gut an. Ein Anfang!
Endlich scheine ich dem Loop in meinem Verstand zu entkommen.
Eigentlich schon seit längerem.
Vielleicht geschieht dies schon seit einer Weile so.
An der Wand hängt die weiße FFP2-Maske.
Die, die ich gestern für 10 Minuten getragen hatte,
als ich kurz im Blumenladen war.
Ich schaue auf die Flasche mit dem Desinfektionsmittel.
Die mit dem roten Schriftzug.
Mein Blick fällt auf den kleinen gelben Notizzettel,
der mich an plastikfreies Einkaufen erinnern soll.
Oh, richtig!
Ich kenne ja die Konsequenzen.
Ich weiß ja, wie die Natur und die Tiere unter unserem Handeln leiden …
Es gibt viel zu tun. Sehr viel!
Ich sehe die Zukunft von uns Menschen.
Ohne FFP2-Masken.
Ohne Plastik.
Ohne Fleisch und Milch.
Ich sehe … eine solche Zukunft.
Vor dem Schlafen gehen putze ich mir die Zähne mit aus Pflanzen hergestellter Zahnpasta.
Genieße die mit dem frischen Duft von Bio-Kräuteröl parfümierten frisch eingekauften Handseifen, die auf dem Regal übereinandergestapelt sind.
Nebensächlichkeiten … Anscheinend kleine Dinge.
Sie sind mir inzwischen viel wichtiger geworden …
Sie lassen mich besser einschlafen.
„Ich habe erkannt, dass ich nicht alleine bin.
Ich fühle meine Verantwortung.
Ich möchte für andere da sein.
Ich möchte meine Würde bewahren …“
Mein Verstand notiert sich diese Gedanken.
Ich möchte sie mir bewahren.
Ich beruhige mich.
Ein Hoffnungsschimmer.
So schlafe ich endlich ein …
Währenddessen trägt mich die Erde …
der Sonnenseite entgegen.
Morgen werde ich wieder aufwachen,
egal ob es regnet oder die Sonne scheint.
Alles wird gut!
Nicht weil es wie früher sein wird.
Alles wird gut!
Weil es anders als früher sein wird!
Alles wird gut!
Ich schaue kurz auf die Corona-Warn-App.
Sie zeigt mir Grün an!
KEINE RISIKO-BEGEGNUNGEN.
Alles wird gut!